Shift vom Arbeitgeber- zum Mitarbeitermarkt: Auswirkungen auf das Recruiting
In der Schweiz findet schon seit etwa 2015 ein Shift (Verschiebung) vom Arbeitgebermarkt zum Mitarbeitermarkt statt. Dieselbe Entwicklung ist in vielen entwickelten Volkswirtschaften zu beobachten. Ein Mitarbeitermarkt bedeutet prinzipiell: Es gibt mehr offene Stellen als verfügbare Mitarbeitende und/oder Bewerbende auf diese Stellen. Das verschafft den Beschäftigten eine deutlich bessere Verhandlungsposition.
Mitarbeitermarkt: Was sind die wesentlichen Folgen für die Unternehmen?
Neben dem Mangel an Arbeitskräften und der besseren Position der Arbeitnehmer bei Gehaltsverhandlungen gibt es noch weitere Auswirkungen durch die neuen Verhältnisse am Arbeitsmarkt:
- Die Zeit, um eine Stelle neu zu besetzen, ist spürbar gestiegen.
- Unternehmen müssen enorme Aufwendungen betreiben, um ihre Mitarbeitenden zu motivieren und zu binden.
- Dem Gesundheitsschutz in den Firmen kommt eine immer höher Bedeutung zu.
- Neben Rekrutierungsproblemen haben viele Unternehmen auch Schwierigkeiten, gute Fachkräfte zu halten.
Umdenken gefordert
Viele HR-Manager denken noch in den früheren Kategorien des Arbeitgebermarkts. Diese gelten aber vielfach nicht mehr. Der Wandel vom Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitsmarkt, auf dem die Beschäftigten den Ton angeben, lässt sich inzwischen handfest in Zahlen darstellen:
- Das Staatssekretariat für Wirtschaft veröffentlichte im März 2022 eine Prognose, nach der die Schweizer Arbeitslosenquote im Jahr 2022 durchschnittlich nur noch bei 2,1 % liegen wird. Dies entspricht quasi einer Vollbeschäftigung.
- Im Kanton Appenzell Innerrhoden liegt die Arbeitslosenquote mit 0,5 % so niedrig, dass die Firmen händeringend und mit hohen Sonderofferten um Mitarbeitende werben.
- Schon 2021 erschienen in Schweizer Print- und Onlinemedien 4,5 Millionen Jobinserate. Das war ein neuer Rekord.
- Experten konstatieren spätestens seit 2020 einen gravierenden Fachkräftemangel in der Schweiz.
In manchen Bereichen hängt der Fachkräftemangel damit zusammen, dass die Jobs schlecht bezahlt und/oder körperlich anstrengend sind. Doch vielfach funktioniert einfach der alte Arbeitgebermarkt nicht mehr. Offenen Stellen stehen ganz objektiv zu wenig Bewerber gegenüber.
Wie sollen Betriebe auf den schrumpfenden Arbeitgebermarkt reagieren?
Im HR-Management kennt man die Notwendigkeiten vielfach schon: Die Firmen müssen viel deutlicher als früher auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen. Freilich gilt es nun, diese Erkenntnisse auch an die Geschäftsleitung heranzutragen. Zu diesem Zweck sollten Personalchefs intern deutlich kommunizieren, was sich wirklich durch den neuen Mitarbeitermarkt geändert hat. Das Recruiting wurde im früheren Arbeitgebermarkt dadurch geprägt, dass sich das Unternehmen bei einer Einstellung grundsätzlich zwischen verschiedenen, gleichermassen gut geeigneten Bewerbenden entscheiden konnte. Das ist mittlerweile immer häufiger nicht mehr der Fall. Es melden sich auf eine offene Stelle zu wenige oder zu wenige geeignete Kandidaten. Die Bewerbenden mit hohem Potenzial hingegen können sich zwischen den Offerten verschiedener Betriebe entscheiden. Der Trend ist eindeutig und führt unter anderem zu grossen Verzögerungen bei der Stellenbesetzung. Als Reaktion auf die neuen Verhältnisse im Mitarbeitermarkt schlagen Experten vor, nicht nur bessere Verhältnisse am Arbeitsplatz zu schaffen, sondern sie auch bei der Stellenausschreibung und im Einstellungsgespräch offensiv zu kommunizieren. Dazu gehören:
- ein positives Miteinander am Arbeitsplatz
- gute Gehälter
- eine ausgewogene Work-Life-Balance
- Boni
- zusätzliche Sozialleistungen
- verbesserte Karrierechancen
Im Mitarbeitermarkt bestehen diejenigen Firmen, die solche Rahmenbedingungen nicht nur schaffen und damit andere Arbeitgebende übertrumpfen, sondern sie auch offensiv gegenüber Stellenbewerbern darstellen.
Fazit zum Mitarbeitermarkt
Eine Trendwende hin zum früheren Arbeitgebermarkt ist mit Stand 2022 vorläufig nicht in Sicht. Gerade in der Schweiz ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt extrem angespannt. Firmen müssen sich schnellstens auf den Wandel einstellen und zu diesem Zweck einen neuen Dialog zwischen den Mitarbeitenden und der Führungsebene in Gang setzen, um zu erfahren, was ihre Beschäftigten wirklich wünschen.
Quellen:
www.jobfile.ch/Fachkräftemangel in der Schweiz
www.euroforum.de/news/HR
lebenslauf.net/Arbeitgeber- oder Arbeitnehmermarkt